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Frühe Neuzeit - Die etwas andere Chronik

1566: Die Erdmännlein des Grafen von Zimmern

"Die Erdmännlein haben in allen Landen deutscher Nation gewohnt und sich den Menschen oft gezeigt und ihnen, wenn man sich richtig und gebührlich gegen sie benommen, viele Dienste und Guttaten erwiesen", schreibt Mitte des 16. Jahrhunderts Graf Froben Christoph von Zimmern (1519-1566) in seiner Chronik der Grafen von Zimmern. Sie reicht von 1288 bis 1566 (teilweise wird auch 1558 als Endjahr erwähnt).

Nach Grimms Wörterbuch stammt der Begriff "Erdmännchen" oder "Erdleutlein" von dem lateinischen Begriff "nanus" bzw. "nani" (dt. Zwerg/-e) und wird auch meist mit dem Zwerg gleichgesetzt. Auch die weibliche Form, das Erdweibchen, sowie die Begriffe "Wicht" oder "Erdwicht" finden sich in Sagen und Erzählungen.

Doch während sie für uns lediglich "Märchengestalten" sind, sahen viele Menschen der Frühen Neuzeit diese Erdmännlein als Realität an. Froben Christoph von Zimmern nennt verschiedene Meinungen über ihr Wesen: Sie seien

  • "Menschen, die vor Jahren verflucht wurden und auf Erlösung durch die Menschen hoffen",
    "in Tiere verzauberte Menschen", die ihre Gestalt nach einer Zeit wieder erlangt hätten (nach alten Historien),
  • "Geister von Engeln (...), die vor dem Fall Adams verstoßen worden seien" (nach der Heiligen Schrift sowie christliche und heidnische Bücher),
  • sündige Engel, die nicht derart schwerwiegende Vergehen begangen hätten wie die Engel, für die es keine Hoffnung mehr gebe und die in die Hölle müssten (Kabbalisten und die Philosophen Belinus und Behenceter).

Erdmännlein wurden also zumeist als Wesen zwischen Gut und Böse beschrieben: Wesen, die etwas Böses verübt haben und durch gute Taten sich aus ihrer Verdammnis zu befreien suchten. Dementsprechend traten sie auch auf: Sie verübten, so von Zimmern, viele gute Dienste, halfen in Backstuben und als Knechte, stellten wundersam brauchbare Dinge her.

Doch von Zimmern deutete (s. Anfangszitat) bereits den ambivalenten Charakter der Erdmännlein an: Sie zeigen sich denen erkenntlich, die sich ihnen gegenüber "richtig und gebührlich" benehmen. Im "Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens" werden hingegen auch eine Reihe schlechter Eigenschaften dieser Wesen erwähnt: Sie seien als Kinderschreck unterwegs (Schweiz), ihr Erscheinen bringe Unglück (Oldenburg), sie stehlen und melken heimlich Kühe (Oberpfalz), stiften Unfrieden usw. "Diese Leute waren sehr klein und hübsch und standen mit den Haslern in freundschaftlichem Verkehr. Manchmal aber nahmen sie auch den Bauern auf dem Feld Brot und Kuchen weg und legten dafür Steine aus ihrer Höhle hinzu, welche ganz das Ansehen von Gebäck hatten", heißt es in einer schwäbischen Sage (Quelle: >> Projekt Gutenberg).

Über das Aussehen verraten von Zimmers Beispiele nichts. Andere Quellen sprechen von Wesen, die so groß sind wie 4- bis 8-jährige Kinder, die in Erdlöchern oder -höhlen wohnen. Oft haben sie einen langen weißen Bart und/oder langes wallendes Haar und sind mit körperlichen Eigentümlichkeiten ausgestattet, z.B. Gänse- oder Entenfüßen.

Graf Froben Christoph von Zimmern selbst hat noch kein Erdmännlein zu Gesicht bekommen - und bemerkt zudem, dass diese Wesen zu seiner Zeit komplett verschwunden seien: "Das macht, weil alle Gottesfurcht dahin ist, dafür aber die große Ueppigkeit in der Welt überhandgenommen hat, zudem sind alle Hauptlaster und Untreue samt der übergroßen Gotteslästerung so gar in Schwang, daß wenig Besserung bei und zu erhoffen."


Literatur und Quellen (Auswahl)

Wappen, Becher, Liebesspiel. Die Chronik der Grafen von Zimmern 1288-1566. Auswahl und Einführung von Johannes Bühler. Frankfurt a.M. 1940.

Bächthold-Stäubli, Hanns: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Berlin/Augsburg 2000 (Originalausgabe 1927ff.)

Links

>> Projekt Gutenberg: Legenden und Sagen
3091 Legenden und Sagen von unbekannten Verfassern bis zu den Gebrüdern Grimm bietet das Projekt Gutenberg


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